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Wie geht es dir? Gedanken zur Pandemie

Die Corona-Krise dauert nun schon fast ein Jahr. Sie hat unser aller Leben verändert, von einem Tag auf den anderen. Der erste Lockdown und die erste Welle, die zweite Welle, der zweite Lockdown... seit einem Jahr ist das Virus Stargast in den Medien, den sozialen Medien und in Gesprächen. Es gibt keine Möglichkeit einer Pause, Tag für Tag werden wir daran erinnert. Sei es in den öffentlichen Verkehrsmitteln beim Maskentragen, sei es bei all den Schildern in den Geschäftern, sei es Homeoffice-Pflicht oder die verschlossenen Türen der Gastrobetriebe. Der Lockdown, Shutdown oder Lockdown light (wie immer man es nennen will) sollte anfänglich bis 22. Jänner dauern, nun bis Ende Februar. Aber wer weiss schon ob es nicht Ende März, Ende April oder gar später wird. Eine Ungewissheit die viele Menschen in diesem Lande schwer belastet.

 

Mit den zugelassenen Impfungen hatten wir alle einen Hoffnungsschimmer, dann kamen die Hiobsbotschaften der Virusmutationen und es dämmerte so manchen von uns, dass diese Krise nicht so bald ausgestanden ist. Und was heisst schon ausgestanden? Selbst wenn eine gewisse Normalität zurückkehrt, es wird nie wieder so sein wie vor der Pandemie. Und ähnlich wie bei einem Krieg, werden uns die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen noch lange beschäftigen.

 

Nicht alle Menschen gehen gleich um mit der Krise. Einsamkeit, Existenzängste und Depressionen nehmen stark zu. Noch nie waren so viele Menschen in der Kurzarbeit, eine Zunahme der Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug, so manche Bürgerinnen und Bürger plagen finanzielle Nöte. Zahlreiche Betriebe stehen vor dem Konkurs. Wurde anfänglich mit der Nennung von Milliardenpaketen zur Rettung von Wirtschaft und Gesellschaft beruhigt, so hat sich eine Ernüchterung breit gemacht. Das Geld fliesst langsam und spärlich, die Politik streitet sich um jeden Rappen. Im Kanton Zürich etwa werden Entschädigungen für vom Lockdown betroffene Betriebe wohl erst im März fliessen. Für viele Betriebe eindeutig zu spät.

 

Im November schrieb ich: "Können wir Corona? Ja, wir können wenn wir denn wollen". Leider scheiterte es wohl am WOLLEN. Das Gezänke zwischen Bund und Kantone wer denn nun zahlen muss und die administrativen Hürden um Geld zu erhalten, all das hat das Vertrauen in den Staat stark geschwächt. "Der Staat hat uns im Stich gelassen" ist oft zu lesen. Gesundheitliche Massnahmen wurden schnell ausgesprochen, die Entscheidung über finanzielle Hilfen nur zögerlich.

 

Liebe Leserin, lieber Leser, versteht mich nicht falsch. Ich bin nicht über Nacht zum Corona-Skeptiker mutiert, ich halte die getroffenen Massnahmen in Bezug auf die Eindämmung des Virus richtig und wichtig. Sei es die Maskenpflicht, sei es die Schliessung von Geschäftern und der Gastronomie oder Einführung einer Homeofficepflicht. ABER, ich bin enttäuscht über die Politik welche die finanziellen Massnahmen nicht zeitnah zu den gesundheitlichen Massnahmen gesprochen hat. Wenn sich das Parlament schon jetzt so schwer tut, wie will es dann die kommenden Folgeprobleme in Angriff nehmen? Bange Fragen!

 

Und das bringt mich zurück zu der Frage: "Wie geht es dir?" Nebst den finanziellen Nöten plagen viele Menschen auch Einsamkeit und Isolation. Es ist eben nicht nur "physical distancing" es ist in der Tat halt wirklich auch "social distancing". Die Einschränkung der direkten Kontakte, Homeoffice und körperliche Abstandsregeln, das alles macht auch viel mit uns. Persönlich bin ich kein Freund von Homeoffice und ja, ich vermisse Treffen mit Freunden. Aber ich habe mich organisiert und an die neuen Begebenheiten angepasst. Ich lebe allerdings auch nicht in einer kleinen Einzimmerwohnung, ich lebe in einer geräumigen 10-Zimmerwohnung in einem Grosshaushalt, habe also jeden Tag soziale Kontakte und intensive Gespräche mit meinen Mitbewohnenden. Aktuell sind wir zu zehnt in der Wohnung, inklusive einem kleinen viermonatigen Baby. Da herrscht trotz Pandemie reges Leben. Bei den Abendessen haben wir uns dank einem grossen Esszimmer so eingerichtet, dass wir die 1.5-Meter-Abstandsregel auch in den eigenen vier Wänden einhalten können. Ich habe also trotz "social und physical distancing" regen sozialen Kontakt, und dies ohne die Covid-Regeln zu missachten. Ich weiss aber, da draussen hat es Menschen denen es anders geht. Und so greiffe ich täglich zum Telefonhörer und stelle Freunden und Bekannten, welche unter der Isolation leiden, die Frage "Wie geht es dir?". Einfach zuhören, das ist in dieser schweren Zeit so wichtig.

 

Nebst "Wie geht es dir?", sollten wir meiner Meinung nach auch öfters fragen "Wie geht es uns?" "Wie geht es mir?".

 

Ich wünschte mir mehr Achtsamkeit und mehr Solidarität (und nein ich halte diese Wörter keinesfalls für abgenutzt). Und nun wünsche ich allen Leserinnen und Lesern gute Gesundheit und Zuversicht.